Spitalskostenexplosion?

Dass die Spitalskosten steigen, ist weniger dramatisch als die Halbwahrheiten, die man rundherum hört – nur Nebelwerfer, wohin man auch schaut!

2008 haben die Spitäler 10,4 Milliarden Euro gekostet, um über eine Milliarde mehr, als noch 2006 – eine Steigerung von 12 Prozent. Die Inflation hat sechs Prozent betragen und kann nicht als Ausrede dienen.

2006 ist übrigens deswegen ein wichtiges Jahr, weil seit dem die Gesundheitsreform von Ex-Ministerin Rauch-Kallat in Kraft ist. Diese Reform hat den Ländern mehr Spielraum in der Gestaltung der Spitalslandschaft gegeben, damals in der Hoffnung, die Länder würden vernünftige Reformen umsetzten. Dem war und ist nicht so, wie man an den Steigerungen erkennen kann.

Einige Länder sind ganz besonders betroffen, allen voran Niederösterreich, das bereits zum zweiten Mal in Folge rund zehn Prozent teurer geworden ist. Seit alle Spitäler dem Land gehören, explodieren dort die Kosten. Auch, wenn die Politik nicht müde wird zu erzählen, dass die Zusammenfassung aller Spitäler in der Hand eines einzigen Landesrates enorme Einsparungen gebracht haben soll, realiter kosten diese das Land so viel Geld, dass es schwierig wird, ein Budget zu erstellen.

Aber auch in Oberösterreich gehen die Kosten offenbar nur mehr gerade nach oben (14 Prozent in zwei Jahren). Auch hier wurde angeblich eine Spitalsreform umgesetzt, die viele Millionen Euro eingespart haben soll.

Nun, da niemand die Einsparungen überprüfen kann und komischerweise die Kosten explodieren, ist wenigstens Skepsis an den politischen Aussagen anzubringen. Und da offenbar auch die politische Kaste erkennt, dass die supersimplen Milchmädchenrechnungen nicht mehr überzeugend klingen, hat man sich etwas Neues zu Recht gelegt:

Die Kostenexplosion sei die Folge massiver, aber vor allem notwendiger Modernisierungsinvestitionen! Begonnen hat den Reigen vor einem Jahr Niederösterreich, vor wenigen Monaten hat sich Oberösterreich diesem Mantra angeschlossen und zuletzt nun auch das Gesundheitsministerium selbst.

So ist das aber definitiv nicht wahr, und das Wissen die Herren. Einmal abgesehen, dass diese Modernisierungen oft nur Behübschungen für Dutzende Millionen Euro sind, steigen nur die Betriebskosten, in denen nach dem Gesetz Investitionen nur kaum enthalten sind (enthalten wären Geräte, die jedoch über die Abschreibung auf viele Jahre aufgeteilt werden). Die Steigerungen sind daher auch nicht durch Investitionen zu erklären, sondern nur durch den Betrieb.

In Wahrheit sind es (Landtags)Wahlzuckerl, die heute süß schmecken, aber morgen bittere Pillen sind. Es ist die Großmannsucht und jegliches Fehlen von Verantwortung für unsere Zukunft, die die Kosten nach oben ziehen. Den Landespolitikern ist es egal, was Ihre Spielwiesen kosten, denn sie sind ohnehin bereits pleite. Weil aber ein Land nicht wirklich pleite gehen kann, warten alle und vollkommen ruhig auf den Bund. Der hat schon die Kassen gerettet, soll er auch die Länder retten. Doch woher nimmt der Bund das Geld?

Spätestens 2012 dürfen wir mit saftigen Steuererhöhungen rechnen. Statt eine Spitalsreform anzugehen, ist es doch viel leichter, Halbwahrheiten zu erzählen und uns zur Kasse zu bitten. Und wenn dann die Steuererhöhungen zu verkaufen sind, werden die gleichen Politiker, die uns heute mit Halbwahrheiten abspeisen mit ähnlichen Halbwahrheiten erklären, dass die Erhöhung notwendig ist. Wir werden es wieder schlucken – weil es uns eh auch nicht mehr interessiert.

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen

Und immer höher fliegt die Sozialpartnerschaft, immer höher, näher und näher an die Sonne. Mal sehen, wie die Federn angeklebt sind.

Stephanie K. ist mit dem Medizinstudium fertig. Jetzt will sie die Wartezeit auf einen Turnusplatz mit einer Lehrpraxis überbrücken.

Eine sechsmonatige Lehrpraxis ist verpflichtender Teil der postpromotionellen Ausbildung und soll eigentlich dazu dienen, nach der Spitalsausbildung, Erfahrungen in einer richtigen Ordination zu sammeln. Trotzdem machen es die meisten direkt nach dem Studium. Der Grund ist einfach, es gibt kaum Geld dafür.

Rund 800 Jungärzte versuchen jährlich Lehrpraktikanten zu werden. Aber nur für etwa 250 gibt es eine geförderte Stelle. Gefördert heißt, dass sie monatlich 1.000 Euro brutto erhalten. Der Dienstherr erhält die Arbeitgeberbeträge erstattet, sodass er kostenfrei bleibt. In diesem Fall kostet der Lehrpraktikant also nur Zeit, aber kein Geld.

Die, die keine geförderte Stelle ergattern, denen geht es bereits heute deutlich schlechter. Die meisten werden nur geringfügig angestellt (bis 357 Euro). Aber, und das ist peinlich, um den Dienstherren kostenfrei zu halten, zahlen sich nicht wenige ihr Gehalt sogar selbst, nur um eine Stelle zu kriegen! Eine Stelle, die sie kriegen müssen, wenn sie die Ausbildung beenden wollen.

Seit Jahren wird um das Thema zwischen Ministerium und Ärztekammer gestritten. Jetzt kommt eine neue Facette dazu – ein Kollektivvertrag, abgeschlossen zwischen zwei Abteilungen innerhalb der Ärztekammer.

Wie das funktioniert, wenn eine Kammer gleichzeitig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt, ist fraglich. Rechtlich dürfte das aber passen – die Sozialpartnerschaft und ihre Blüten. Andererseits verhandelt da die linke mit der rechten Hand ohnehin über Geld, das ganz andere bezahlen sollen.

Im Kollektivvertrag wurde jedenfalls festgelegt, dass künftig ein Praktikant brutto zwischen 1600 (direkt nach dem Studium) und 2.000 Euro (am Ende des Turnus) erhalten muss. Aus Arbeitgebersicht kostet daher ein Praktikant pro Jahr zwischen 29.400 und 36.750 Euro (zum Vergleich, die heutige Förderung beträgt 18.400 Euro).

Schön schaut das aus, auf dem Papier. Aber glaubt man ernsthaft damit viel mehr Fördergeld erzwingen zu können? Wohl nicht!

Es wird stattdessen bald noch weniger geförderte Stellen geben (für einen unbestimmten Zeitraum soll die Ärztekammer angeblich die Differenz bezahlen). Die, die „Glück“ (ausreichend Vit. B) haben, so eine Stelle zu ergattern, können sich freuen, weil sie mehr verdienen. Alle anderen werden schlechter gestellt.

Jene Ärzte, die bereit waren, ihre Praktikanten aus eigener Tasche geringfügig anzustellen, werden ihre Bereitschaft bei solchen Gehältern verlieren. Die, die sich ihre sechsmonatige Lehrpraxis selbst finanzieren müssen – und die werden jetzt mehr – mussten früher nur geringfügige Mittel aufbringen; dank Kollektivvertrag sind es jetzt richtig heftige Summen (15 bis 18 Tausend Euro)

Tja, so stell ich mir das vor, wenn ein Kollektivvertrag zu populistischen Zwecken missbraucht wird. Dass die Kammerfunktionäre offenbar den Boden der Realität verlassen haben, sieht man an der Aussage der Obfrau der Bundessektion Turnusärzte (die oberste Kammervertreterin aller Turnusärzte) Dr. Gordon, die mit der Inbrunst der Überzeugung festhält: „Die katastrophalen Zustände, dass Jungmediziner zu Dumpingpreisen oder gar zum Nulltarif in Ordinationen arbeiten, sind damit Geschichte.“

Tja, wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen! (Marie Antoinette, wenige Wochen vor ihrer Dekapitation)

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der ganz normale Selbstverwaltungswahnsinn

Einige Ärztekammerfunktionäre haben entschieden – und die Bevölkerung hat sich daran zu halten. Warum es gewählte Politiker gibt? Keine Ahnung.

Seine Zehen hat er im Stehen schon lange nicht mehr gesehen. Jetzt wird er seine linken, selbst wenn er abnimmt, nie wieder sehen können. Die wurden amputiert; wegen seiner Zuckerkrankheit, die er nie ernst genommen hat. Sein Arzt hat ihm zwar gesagt, dass er mit seinem Diabetes nicht spielen darf, aber Schweinsbraten und Bier waren viel zu verführerisch.

Wer an Diabetes leidet, hat eine sehr trügerische Krankheit. Bei den meisten ist der Lebensstil hauptverantwortlich. Zu viel Essen mit zu wenig Bewegung, das ist ein Garant dafür, Diabetiker zu werden. Langsam entwickelt sich die Krankheit und schleichend, das macht die Behandlung schwer. Die beste Behandlung ist die Früherkennung. Menschen, die zu dick sind und wenig Bewegung machen, sollten früh motiviert werden, ihren Lebensstil zu ändern. Gelingt das nicht, und kann der Ausbruch der Krankheit nicht verhindert werden, dann sollte man die Patienten dazu bringen, ihre Krankheit ernst zu nehmen und spätestens jetzt den Lebensstil zu ändern. Gelingt das wieder nicht, dann ist es Aufgabe eines guten Gesundheitssystems Folgeerkrankungen wie Amputationen, Erblindung, Nierenversagen, Schlaganfall oder Herzinfarkt mit engmaschigen Kontrollen und entsprechenden Therapien hintan zu halten.

Da Diabetes eine langwierige Erkrankung ist, ist die wichtigste Herausforderung jedoch, den Patienten über viele Jahre nicht aus den Augen zu verlieren und zur Therapie zu motivieren. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Deswegen wurden international Programme entwickelt, die genau das im Fokus haben.

Auch Österreich hat sich – spät aber doch – entschieden, ein solches Programm zu starten. Endlos wurde zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung verhandelt, doch am Ende gab es Einigkeit.

Doch diese Einigkeit hat plötzlich ein Ende – nur in Niederösterreich. Dort hat sich der Vorstand der Ärztekammer mehrheitlich gegen die Fortführung des Programms entschieden. Die Gründe sind hahnebüchern. Das Programm sei ein Eingriff in die Verhandlungshoheit und außerdem bringe es keine Verbesserung. Dass Patienten durch das Programm motiviert wurden, sich mehr zu Bewegen und gesünder zu ernähren (die wichtigsten Therapiemaßnahmen bei Diabetes!), wird ebenso ignoriert, wie die Tatsache, dass unnötige Amputationen, Erblindungen und lebenslange Dialysen vermieden werden könnten. Sogar innerhalb der Ärztekammer ist das nicht nachvollziehbar. Ändert aber nichts, der Vorstand hat entschieden, das Programm ist tot.

Nun, das eigentlich Schlimme dabei ist, dass wirklich ein paar Funktionäre entscheiden können, was für die Bevölkerung gut ist. Man stelle sich vor, dass hinter den maßgeblichen Funktionären der Niederösterreichischen Ärztekammer gerade einmal 1400 Ärzte stehen – so viele Stimmen konnten sie bei der letzten Kammerwahl auf sich vereinigen. Und diese paar Funktionäre entscheiden, was für die 1,4 Millionen Niederösterreicher gut ist. Kein legitimierter Volksvertreter kann daran was ändern, ja nicht einmal die Kassen können es. Dass die Bevölkerung dank des Pflichtversicherungssystems nicht aussteigen und sich anderen, vernünftigeren Partner zuwenden kann ist nur mehr das Tüpfelchen auf dem i.

Es ist erschreckend, wie sich einige Sozialpartner mittlerweile aufführen und sich dabei vollkommen sicher fühlen können.

Warum ich eigentlich noch wählen gehen soll, das ist die Frage. Real entscheiden doch ohnehin Personen, die sich jedem Plebiszit entziehen?

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Entscheidungsschwäche – entscheidende Schwäche

Ein solidarisches Gesundheitssystem ist nur solange vernünftig, solange es transparent arbeitet und entscheidungsfähig ist. Beides ist verloren gegangen.

Astrid L. lebt in Lödöse, Schweden. Sie ist 49 und wird ihren 50sten mit ihren erwachsenen Kindern feiern. Dass sie seit ihrem 12. Lebensjahr an jugendlichem Diabetes leidet, hat sich auf ihr Leben kaum ausgewirkt.

Wie froh Astrid L. sein kann, dass sie nicht in den USA wohnt, ist ihr nicht bewusst. Die Wahrscheinlichkeit dort an seinem 50sten bereits unter der Erde zu liegen, ist für die weiße (reichere) Bevölkerung drei, für die schwarze (ärmere) gleich zehn mal höher.

Warum das so ist, das ist nicht so ganz klar. Dass es nicht am Geld liegt zeigen die Gesundheitsausgaben. Zwar darf man die irrwitzigen Summen in den USA nicht einfach mit den niedrigeren in Skandinavien vergleichen; vom Haftungsrecht bis hin zu den unterschiedlichen Kapitalkosten in umlage- bzw. kapitalgedeckten Systemen, gibt es vieles, das einen direkten Vergleich nicht erlaubt, aber dass in den USA mehr ausgegeben wird, ist sicher. Es muss schon was anderes, als das Geld sein.

Jugendlicher Diabetes ist ein hervorragender Parameter für Gesundheitssysteme. Die Behandlung ist ausgesprochen komplex und dauert ein Leben lang. Die lebensverkürzenden Begleiterkrankungen entwickeln sich langsam und kaum bemerkbar. Wenn sie manifest werden, sind sie quasi unbehandelbar. Die Patienten erblinden, haben kaputte Nieren, kriegen Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Die einzig Therapie ist Insulin spritzen und sein Leben diszipliniert führen. Und um die Patienten dabei bei der Stange zu halten, dafür muss ein System richtig gut funktionieren.

So wie es aussieht, sind jene Systeme, die auf die Entscheidung des einzelnen und den freien Markt setzen dabei weniger erfolgreich als jene, deren Funktionsweise solidarisch ist. Mehr noch, dort, wo ein restriktives, aber transparent agierendes nationales Gesundheitssystem besteht, sind vor allem Patienten mit chronischen Erkrankungen besser aufgehoben als anderswo.

Der Grund, warum das so ist, dürfte wohl darin zu suchen sein, dass der einzelne nur schwer langfristige Entscheidungen für seine Gesundheit richtig treffen kann. Solange man gesund ist, neigt man dazu, sich nicht vorzustellen, krank zu sein. Wenn man krank ist, ist man erst recht nicht in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Werden dem einzelnen diese Entscheidungen durch ein öffentliches Gesundheitssystem abgenommen, dann besteht – und das offenbar erfolgreich – die echte Chance, länger gesund zu bleiben.

Natürlich funktioniert das nur, wenn die Menschen den Entscheidungsträgern im System auch vertrauen. Und das kann man erreichen, indem man Entscheidungswege offenlegt und die Bevölkerung teilhaben lässt.

Wenn jedoch das System keine Entscheidungen mehr trifft, dann werden diese, mangels Alternativen, wieder an den einzelnen zurückfallen – mit all den Konsequenzen, die wir in den USA sehen.

Und wie sieht es mit der Transparenz und Entscheidungsfähigkeit hierzulande aus? Transparenz ist grundsätzlich ein Fremdwort. Unsere Entscheidungsträger halten hinter verschlossenen Türen Hof.

Aber finden sie dann wenigstens zu Entscheidungen? Seit 40 Jahren diskutieren sie erfolglos über eine Spitalsreform, ja selbst die aktuelle Frage der Kassensanierung wird nun bereits seit drei Jahren nur beredet. Weder ein klares Nein, noch ein klares Ja ist zu hören.

Da frage ich mich, wie geht es unseren jugendlichen Diabetikern? Glücklicherweise haben wir dazu keine offiziellen Statistiken.

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.