Eine gut gepflegte Realitätsverweigerung

Mehrere Milliarden Euro Luft stecken im Gesundheitssystem – aber wir schießen mehr Steuern und Beiträge nach! Unbequeme Reformen kommen nicht in Frage.

Ganz einfach: Zieht man von den Einnahmen die Sachkosten und Steuern ab, kann man von dem was bleibt leben.

Am Markt werden Einnahmen von dem bestimmt, was der Kunde bereit ist zu zahlen. Will der weniger bezahlen, lebt man entweder von weniger, oder man schaut darauf, dass durch besseres Management die Sachkosten reduziert werden. Nun klar, das ist eine extreme Vereinfachung, aber am Ende bleibt es dabei – der Kunde bestimmt die Höhe der Einnahmen, Steuern und Kostenmanagement die Höhe des persönlichen Einkommens.

Anders im Gesundheitssystem. Hier bestehen die Einnahmen aus unfreiwilligen Beiträgen und Steuern.

Weil Menschen immer älter und kränker werden und die Zahl der Älteren zunimmt, steigen die Sachkosten für Medikamente, Ordinationen, Krankenhäuser etc. Das ist unvermeidbar. Kostenmanagement wäre angesagt, will man nicht, dass der Betrag für die Menschen, die vom Gesundheitssystem leben, kleiner wird. So etwas ist allerdings unpopulär, mühsam und unbequem. Weil es sich aber sehr viele in diesem System bequem gemacht haben und unpopuläre Maßnahmen tabu sind, ist es besser, man nützt das Monopol und schraubt an den Einnahmen – die sind leichter erhöht als Kosten reduziert.

Und da kommt eine Studie genau recht. Wieder einmal wurde „bewiesen“, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden – gemessen am „Bruttoverdienst“. Wir können zur Rettung des Gesundheitssystems die Reichen schröpfen.

So eine Studie ist per se dumm, weil sie so tut, als ob Steuern nicht umverteilen. Will man wirklich wissen, ob Arme ärmer und Reiche reicher werden, muss man statt des Bruttoeinkommens einer Person das frei verfügbare Einkommen eines Haushalts ansehen. Das ist der Teil des Einkommens, inklusiver aller Sozialtransfers, der nach Abzug aller Steuern und dem Betrag, der zur Aufrechterhaltung eines annehmbaren Lebensstandards erforderlich ist, übrig bleibt. Und siehe da, wenn man also die ganzen Sozialhilfen einrechnet – von der ORF-Gebührenbefreiung bis zum Stipendium für die Kinder – und vielleicht sogar den „Schwarzmarkt“ einbezieht, dann wird das Bild paradox.

Nehmen wir einen Alleinverdiener mit 4.500 Euro brutto und zwei Kindern. Brutto ist der Mann statistisch bereits reich. Aber! Verteilt man sein Netto-Einkommen inklusive Kinderbeihilfen auf die Familienmitglieder, dann wird der Haushalt statistisch plötzlich arm. Mit dem Brutto-Einkommen besteht aber keine Hoffnung auf Stipendien, Befreiungen oder Freifahrten. Wer offiziell so viel verdient hat vermutlich kaum Möglichkeiten, „schwarz“ zu arbeiten. Dass dank der hohen Abgaben 43.000 Euro an Staat und Sozialversicherung abgeführt werden müssen, bleibt unbedankt. Auch wie viel Arbeitszeit so ein Job verschlingt (keine Abgabe bezieht sich auf den Stundenlohn), ist egal. Brutto ist der Mann reich, also nehmen wir ihm was weg.

Nun, interessanterweise reagiert das Volk nicht dumm. Steigen die Pflichtabgaben und reduzieren so das frei verfügbare Einkommen, dann fliehen die Menschen zunehmend in die Leistungsverweigerung und den Schwarzmarkt. Wer also Rechnungen anstellt, dass man mit Beitrags- oder Steuererhöhungen die Einnahmen linear erhöhen kann, der wird sein blaues Wunder erleben. Und gerade dann, wenn die Wirtschaft kriselt, ist es sehr dumm jene zu belasten, die mit ihrer Produktivität Geld verdienen, nur um sich nicht der Realität stellen und unbequeme Gesundheitsreformen angehen zu müssen.

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Selbsteinschätzungen sind ein Problem

Alle Menschen gehen davon aus, überdurchschnittlich zu sein – objektiv betrachtet, ist das nicht möglich, subjektiv schon. Ärzte sind da keine Ausnahme.

Selbstbetrachtung wird rasch Selbstbeweihräucherung! Wer das verhindern will, braucht Transparenz. Wer sich selbst evaluieren und dabei ernst genommen werden will, muss sowohl Methode, als auch Ergebnisse detailliert veröffentlichen. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Selbst-Evaluierung möglich – Sonst nicht! Die Ärzte haben sich selbst evaluiert, aber auf Transparenz verzichtet.

Um was geht es. Nach endlosen Verhandlungen hat die Ärztekammer durchgesetzt, dass die Qualitätskontrolle der niedergelassenen Ärzte nicht durch eine objektive Stelle erfolgt, sondern durch eine ärzteeigene Einrichtung – die ÖQMed.

Diese Einrichtung hat im stillen Kämmerchen eine Methode entwickelt, mit der sie dann 18.000 Ordinationen „qualitätsgecheckt“ hat. Mehr als 1000 Ordinationen wurden daraufhin wegen Qualitätsmängel geschlossen, gerade einem elf davon waren Kassenordinationen. Detailliertere Ergebnisse fehlen.

Die Ärztekammer verkauft das als Erfolg und feiert sich: „Die Patienten können sich auf die Qualitätsarbeit ihrer Haus- und FachärztInnen verlassen“. Die Medien auf der anderen Seite schmeißen sich auf die geschlossenen Ordinationen und stellen die niedergelassenen Ärzte in ein schlechtes Licht. Beide Reaktionen sind typisch und beide falsch.

Schauen wir genauer. Da 18.000 Ordinationen geprüft wurden, es aber nur etwa 7.000 Kassenärzte gibt, muss es also auch andere betreffen. Von den 11.000 „Nicht-Kassen-Ordinationen“ sind sicher viele Wahlarztordinationen. Seien wir großzügig und nehmen an, dass 5.000 davon wirklich der Patientenversorgung dienen. Bleiben 6.000 Ordinationen übrig, die wohl aus anderen Gründen bestehen.

Viele Wahlarztordinationen werden eher aus steuerrechtlichen Gründen geführt und nur kaum von Patienten frequentiert. Dann gibt es die sogenannten „Zweit-Ordinationen“. In der Regel handelt es sich dabei um Wohnungen, die ebenfalls wegen steuerrechtlicher Vorteile als Ordinationen gemeldet sind. Auch hier findet keine substantielle Patientenversorgung statt. Und dann gibt es noch jene Ordinationen, die wohl nur aus Gewohnheit weitergeführt werden. Viele pensionierte Ärzte, die ein Leben lang im Erdgeschoss des eigenen Hauses ordinierten und daran gewöhnt sind eine Ordination zu haben, melden diese nicht ab – selbst wenn sie eigentlich nur mehr Abstellkammerln sind.

All diese „unechten“ Ordinationen dienen kaum der Patientenversorgung und müssten daher nicht so ausgerüstet sein, wie die „echten“. Es verwundert eigentlich, dass nicht deutlich mehr als 1.000 Ordinationen wegen Qualitätsmängeln geschlossen werden mussten. Was übrigens die „echten“ Ordinationen betrifft, haben bis auf elf alle „entsprochen“.

Wenn also nur ein Promill der „echten“ Ordinationen die Kriterien nicht erfüllt, und die meisten „unechten“ ebenfalls ausreichend ausgestattet sind, wenn also im Grunde alle – trotz der massiven Unterschiede, die jeder Patient beobachten kann – die Prüfung „gleich gut“ bestehen, dann wird deutlich, dass die jetzige Evaluierung nicht wirklich Qualität misst. Es hat eher den Anschein, dass statt ernstzunehmender Qualitätsvorgaben nur der kleinste gemeinsame Nenner überprüft wird. Die Qualität der Versorgung kann damit nicht dokumentiert werden. Genau genommen werden eigentlich Ordinationen nur auf eine sehr komplizierte Weise gezählt. Ob für so ein Ergebnis 700.000 Euro – soviel kostet die Evaluierung jährlich – nicht zuviel sind?

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Richtigstellungen

Die Zahl der politischen Ungenauigkeiten mit Manipulationsabsicht steigt im Ausmaß wie das Niveau der Gesundheitspolitik sinkt – eine ernste Entwicklung.

Sie kennen sie alle, die Richtigstellungen, zu denen Politiker und Medien verurteilt werden, wenn sie unter Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht oder mit böser Absicht Unwahrheiten verbreiten. Die ließt zwar niemand, aber sie geben das Gefühl eines Rechtsstaats. Weil dafür immer Klagen nötig sind, bleibt ein Haufen Unwahrheiten, die niemals richtig gestellt werden. Ein paar will ich übernehmen.

Mehrfach wurde von offizieller Seite betont, dass Österreich ein günstiges und effizientes Gesundheitssystem besitzt. Als Beweis wurde angeführt, dass wir „nur“ 7,6 Prozent Krankenversicherungsbeiträge zahlen, während die Deutschen 15,5 Prozent abgeben. Manchmal wurde zwar richtigerweise betont, dass die Länder nicht vergleichbar seien, aber selbst bei „Bereinigung“ der Unterschiede, wir mit 11 bis 12 Prozent auskämen – damit sei belegt, wir haben ein effizientes und billiges System. Diese Darstellungen entsprechen nicht der Wahrheit.

Wahr ist vielmehr, dass die Pro-Kopf-Ausgaben, gemessen in echtem Geld, in Österreich um 10 Prozent über denen Deutschlands liegen. Da wir keine „besseren“ Gesundheitsdaten haben, ist klar, dass wir weder effizienter, noch billiger als unsere Nachbarn sind – egal wie man es dreht und wendet.

Immer wieder wurde von verschiedenen Ebenen behauptet, die Preise der Medikamente steigen enorm an. Einerseits wurde behauptet, die Preise steigen über der Inflationsrate, andererseits, die durch die Senkung der Mehrwertsteuer herbeigeführte Preissenkung wird von der Industrie zum Anlass genommen, die Preise zu erhöhen. Beide Darstellungen entsprechen nicht der Wahrheit.

Wahr ist vielmehr, dass die Preise für rezeptpflichtige Medikamente durch den Staat festgelegt werden, es also nur dann zu einer Steigerung kommen kann, wenn der Staat dies zulässt. Betrachtet man den Preis für eine verkaufte Medikamentenpackung, dann ist festzustellen, dass dieser seit Jahren sinkt. Bewusst und manipulativ wird nicht zwischen dem Preis der Medikamente und den Ausgaben für Medikamente unterschieden.

Die Ausgaben steigen kontinuierlich, allerdings nicht getrieben durch den Preis, sondern durch die Mengen. Für die Mengensteigerung sind viele Faktoren verantwortlich. Da wäre das Kassen-Erstattungssystem, das mengenfördernd ist (was durch die Rezeptgebührobergrenze noch verstärkt wird!), dann die Rezeptgebühr selbst, die man bei kleineren Packungen öfter einheben kann, daher werden die von den Kassen bezahlten Packungen immer kleiner (aber nicht im gleichen Verhältnis billiger), dann die Marketingmaßnahmen der Industrie, die nur dann mehr verdienen kann, wenn sie mehr verkauft, nicht zu vergessen die Demographie und die Epidemiologie (die Menschen werden immer älter und kränker), und vermutlich noch ein Dutzend anderer Gründe. Die Forderung, die Mengenausweitung an Wirtschaftswachstum oder Inflation zu koppeln, ist mehr als nur irreal.

Zu dem Vorwurf, 900 Medikamente seien über den Jahreswechsel teurer geworden und damit sei bewiesen, dass es eine sofortige staatliche Intervention brauche, die dem wilden Treiben der Industrie Einhalt gebiete, sei festgehalten, dass es sich bei diesen Medikamenten um frei verkäufliche handelt, also der Preis durch freie Entscheidung freier Menschen am Markt festgelegt wird. Die geforderte Intervention bedeutet planwirtschaftlichen Totalitarismus.

Es macht traurig, auf welchem Niveau politisches Kleingeld gemacht wird.

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.