Ferraris und Fahrräder

Die Beharrlichkeit der wirklich Mächtigen, die neuerdings auch in der Regierung sitzen, um Eigeninteressen zu vertreten, wird groß genug sein, weiter jede Reform zu verhindern – bis es kracht!

Wer einen Oldtimer hat, liebt ihn und steckt eine Menge Geld und Zeit in seine Erhaltung. Allerdings käme niemand auf die Idee, zu behaupten, sein Oldtimer entspräche dem Stand der Zeit oder gar, er sei das einzig funktionierende Fortbewegungsmittel.

Nun hat die WHO vor 40 Jahren folgendes zum österreichischen Gesundheitssystem festgestellt: (1) Die Zusammenarbeit wird zugunsten von „Eigeninteressen“ behindert, (2) Es besteht keine Vorkehrung für eine Behandlung in Tageskliniken, daher werden im Allgemeinen nur „vollstationäre“ Patienten im Spital behandelt, (3) Es gibt die steigende Tendenz der praktizierenden Ärzte, ihre Patienten in ein Spital einzuweisen – diese Tendenz wird unter anderem durch das Honorierungssystem gefördert, (4) Die Vorsorge für die ärztliche Betreuung alter Menschen und chronisch Erkrankter ist im Allgemeinen unzulänglich.

Ohne detaillierter zu werden, besteht also seit langem ein Struktur- und kein Geldproblem! Wesentlichstes Strukturproblem ist und bleibt die fehlende abgestufte Versorgung, die eine unmittelbare Folge der wirren Kompetenzverteilung und machtsichernden Intransparenz ist. Man könnte es sich ungefähr so vorstellen, als ob für den Personenverkehr nur Ferraris (Krankenhäuser) oder Fahrräder (Einzelpraxen niedergelassener Ärzte) zugelassen wären; Keine Kombis oder Familienkutschen, keine Mopeds oder Busse. Wie würde da der Verkehr wohl aussehen? Billiger? Sicher nicht. Jede Familie würde beispielsweise mehrere Ferraris fahren müssen, die natürlich der Staat bezahlen muss, weil sich Normalverdiener maximal einen leisten könnten – und den auch nur, wenn sie auf fast alles andere verzichten.

Das gleiche gilt für das Gesundheitssystem. Abgestufte Versorgungsmodelle wie Gruppenpraxen und Tageskliniken sind Mangelware, medizinische Versorgungszentren wie in Deutschland unterliegen dem Denkverbot und Hausarztmodelle wie in der Schweiz sind nicht einmal ansatzweise zu erahnen. Selbst wenn in wenigen Fällen vernünftige, abgestufte Versorgungsmodelle erfolgreich versucht wurden, wie beispielsweise in Horn im Waldviertel oder Güssing im Burgenland, wird trotzdem behauptet, solche Modelle stellen eine weitere Ebene dar und sind teurer! Selbst wenn die gesamte Literatur zu diesem Thema als Erklärung herangezogen werden könnte, warum mit abgestuften Modellen integrierte Versorgungssysteme aufgebaut werden können, die neben der deutlich besseren Patientenorientierung, auch Qualitäts- und Kostenvorteile mit sich bringen, kann man hierzulande lesen, dass das niemand braucht.

Also, machen wir’s wie immer! Ändern wir die Finanzierung. Weil aber vermutlich das Volk ein bisschen grantln wird, werden jetzt halt „politische Interpretationen“ als Wahrheit selbst von allerhöchster Ebene dekretiert. Denn das Geld, das man haben will, brauchen nicht die Mächtigen, um ihre Jobs zu behalten, sondern die Versicherten. Und denen haben es alte Regierungen „entzogen“, und soll es die neue zurückgeben. Wer genauer rechnet, der wird diesen Raubzug kaum nachvollziehen können, da die Einnahmen der Kassen seit 2000 deutlich stärker gestiegen sind als ihre zusätzlichen Ausgaben und das SV-Budget seit Jahrzehnten schneller wächst als das Budget des Finanzministers. Aber genaue Rechner gibt es eh nicht.

Der Oldtimer Gesundheitssystem wird als auf dem Stand der Zeit festgeschrieben, koste es, was es wolle – aber wie lange wird das gut gehen?

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Poker um Jungärzte

Jungärzte haben befristete Verträge und sind angestellt. Ihre Interessen sind daher in der Ärztekammer unwichtig! – doch was heißt das für das System?

Ein abgeschlossenes Medizinstudium macht noch lange keinen Arzt. Um eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen, ist in Österreich jedenfalls eine postpromotionelle Ausbildung, die dazu dienen soll, theoretisches Wissen in der Praxis umzusetzen – der „Turnus“. Er ist Pflicht.

Vor allem Ärzte in Ausbildung zum Allgemeinmediziner, den zukünftigen Hausärzten, kurz Turnusärzte genannt, erhalten ebendiese Ausbildung schon lange nicht mehr. Ihr Alltag wird bestimmt vom Spritzen geben, Infusionen verabreichen, Blutdruckmessen und EKG schreiben – Tätigkeiten, die international üblicherweise von Pflegepersonal durchgeführt werden. Dazu kommen Unmengen an organisatorischen und administrativen Tätigkeiten, wie etwa die Veranlassung von, von anderen angeordneten, Untersuchungen oder das Diktieren von Arztbriefen für Patienten, die die künftigen Hausärzte oft nie zu Gesicht bekommen haben (weil Oberärzte ihre Briefe meist durch Turnusärzte erledigen lassen). In manchen Krankenhäusern ist die Zeit sogar so knapp, dass Turnusärzte die Visite, die in Fächern wie der Inneren Medizin das Herzstück spitalsärztlicher Arbeit darstellt, nicht besuchen können. Gar eigene Patienten unter Supervision eines Facharztes (wie international üblich)? – Fehlanzeige. Eine standardisierte Vermittlung von Inhalten, die für einen Hausarzt in der Praxis von Bedeutung wären? – Fehlanzeige.

Auch wenn Abteilungen, die ein Turnusarzt durchläuft, irgendwo ein Ausbildungskonzept liegen haben, wird dies nur in wenigen Fällen auch umgesetzt. Und das ist durchaus verständlich. Denn, während ein angehender Facharzt in der Regel mehrere Jahre an der Abteilung bleibt und mit zunehmender Erfahrung ein wichtiger Teil des fachärztlichen Teams wird, wechseln die künftigen Hausärzte im Zuge ihrer Ausbildung alle paar Monate die Abteilung. Entsprechend gering ist das Interesse, Zeit und Energie in die Ausbildung dieses temporären Personals zu investieren.

Doch wer wird das Herzstück eines gut organisierten Gesundheitssystems sein, wenn nicht die Hausärzte? Und das führt weiter zur Frage: Wer hat die jetzige und für das System üble Situation zugelassen? Die Antwort ist simpel! Die Ärztekammer, denn diese ist für die Ausbildung zuständig. Doch einmal ehrlich! So wie die Gewerkschaften prekäre Arbeitsverhältnisse nicht wirklich interessieren, sind Ärztekammern, denen eigentlich nur die Kassenverträge wichtig sind, junge und dazu noch angestellte Ärzte egal. Der einzige Grund, warum die Ausbildungsordnung wichtig ist, ist der, dass man so die „Ressourcen“ steuern kann. Damit kann man sicherstellen, dass etablierte Ärzte nicht durch irgendwelche „Newcomers“ Konkurrenz kriegen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die scheidende Ministerin, die selbst einmal Turnusärztin war, den Ärztekammern wesentliche Kompetenzen in der Ärzteausbildung aberkennen will: ÄK-Präsident Dorners Furcht vor einem „Guantanamo für Ärzte“ ist zum jetzigen Zeitpunkt für Turnusärzte jedenfalls nur schwer nachzuvollziehen. Diese sehen sich als mit Routinetätigkeiten überfrachtete, billige Systemerhalter, deren Ausbildung nicht mehr schlechter werden kann. Auch wenn eine Neuordnung der Ausbildungskompetenzen nicht bedeutet, dass sich ihre Situation verbessert, dürfen sie aber hoffen. Die Ärztekammer hatte ihre Chance, eine Ausbildung im Sinne der Auszubildenden und ihrer künftigen Patienten zu gestalten – und hat sie vergeben.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Selbsternannte Experten

Wiener Ärztekammer 2007: „Mehr Patienten, aber weniger Einkommen? Diesen Deal werden wir sicherlich nicht mittragen“ – oder doch?

Autos und LKW beherrschen die Straßen. Sie sind die wichtigsten Verkehrsteilnehmer. Wenn man Fahrer fragt, dann erfährt man sicher eine Menge, wie das Verkehrssystem besser zu machen wäre. Aber macht sie das bereits zu Verkehrsexperten? Solche hätten nicht nur die Straßen im Auge zu behalten. Sie müssten sich auch über Schiene, Luft und Infrastruktur Gedanken machen. Würden Fahrer bestimmen, dann sähe unser Verkehr anders aus; fahrerfreundlich sicher, aber wahrscheinlich nicht vernünftig. Wie in Amerika würden große Straßen Städte durchpflügen und öffentliche Verkehrsmittel würden zur Gänze fehlen. Oder betrachten wir den Tankwart. Er ist wohl der wichtigste Verteiler von Benzin. Macht ihn das automatisch zum Verkehrs- UND Energieexperten? Wohl kaum.

Im Gesundheitssystem ist das angeblich anders. Da sind einmal die Ärztekammern. Diese behaupten, dass sie und nur sie wissen, was richtig und wichtig fürs System ist. Andere sind nicht befähigt sich auszukennen. Und dann haben wir die Krankenkassen. Die verteilen das Geld. Wohlgemerkt verteilen sie es nur, denn dass Geld gehört uns, die wir es hergeben müssen – ungefragt. Aber die Kassen behaupten, sowohl das Gesundheitssystem als auch die Staatsfinanzen zu beherrschen und alleine glückselig machend zu sein.

Nun, die Realität ist anders. Ärztekammern verstehen wenig von einem Gesundheitssystem. Und die Kassen? Die sind sie definitiv keine Finanzexperten und leider auch keine Systemexperten – ich weiß wovon ich rede!

Schauen wir nach Wien, da sieht man, um was es wirklich geht. 2007 konnte keine Einigung zwischen Ärzten und Kassen gefunden werden. Die wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), damals schon fast pleite, haben für 2008 nur 1,5 Prozent Honorarerhöhung geboten. Die Kammer hat sich widersetzt. Verständlich, wenn man bedenkt, dass durch Demographie und Inflation eine Steigerung von wenigstens fünf Prozent gerechtfertigt gewesen wären. Doch dann sah es so aus, als ob die WGKK kein Interesse mehr an Verträgen hätten. Und wenn der Ärztekammer der Vertragspartner abhanden kommt, dann ist es aus mit der Macht. Und das geht wohl gar nicht.

Skurril, wie man das System verteidigt, nur um seinen Machteinfluss und das damit verbundene bequeme Leben zu halten. Denn jetzt akzeptiert die Kammer für 2008 eine „Null-Runde“ und für 2009 eine Erhöhung von 1,4 Prozent. Hauptsache, WGKK und Ärztekammer sind gerettet – angeblich „ein Erfolg für Ärzteschaft wie Patienten“.

Doch wie wird der einzelne Kassenarzt reagieren? Wird er wirklich auf Einkommen verzichten und unentgeltlich arbeiten? Nein, er wird weniger Patienten behandeln und noch mehr in Spitäler einweisen! In Wien stiegen die Ambulanzzahlen seit 2003 um über 50 Prozent, die stationären Patienten um 10 Prozent. Das Spiel stationär vor ambulant geht munter weiter – auf unsere Kosten.

Und was wird das für die Patienten heißen? Nichts Gutes! Abgesehen davon, dass es noch weniger Arzttermine geben wird, die Wartezeiten noch länger werden, die Kuvertmedizin zunehmen und noch mehr in den Wahlarztbereich verdrängt wird, wird ein schlecht motivierter Arzt schlechte – und in weiterer Folge sogar teure – Arbeit leisten.

Wenn also selbsternannten Systemexperten und denen, die es noch werden wollen, Gegenwind ins Gesicht bläst, dann hoffe ich, dass die Apologeten des heutigen Systems ein wenig ins Grübeln kommen – auch wenn sie es nie öffentlich zugeben würden.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Muss der Staat alles zahlen?

Eigenverantwortung ist Teil eines öffentlichen Gesundheitssystems, das neben der Solidarität vor allem Subsidiarität fordert. Aber die ist mit Mühe verbunden, die niemand will.

Herr und Frau Österreicher wollen immer öfter jemanden (den guten Vater Staat), der sie an der Hand nimmt und führt – und den sie bei Misserfolg gleich verantwortlich machen können.

Das betrifft auch Krankheitsfragen. Und nicht nur deshalb, weil unser System zunehmend unübersichtlich wird, sondern vor allem, weil Grundkenntnisse über Gesundheitsprobleme und der Umgang mit ihnen völlig verschütt gegangen sind.

Es ist erstaunlich, wie oft Ärzte gerade von jungen Leuten gefragt werden, ob Fieber oder Husten ansteckend ist. Fieber ist ohnehin ein absolute Katastrophe und der wichtigste Grund, warum nächtliche Bereitschaftsdienste und Ambulanzen in Anspruch genommen werden. Legte man so ein Verhalten auf das Wechseln einer Glühbirne um, dann würden die Elektriker dieses Landes krisensichere Jobs haben – natürlich nur dann, wenn die Kunden nicht selbst bezahlen müssen, sondern „Väterchen Staat“ das für sie macht. Andernfalls würde ich tippen, täten die Leute ihre Birnen doch weiter selbst austauschen.

Der „mündige Patient“ hingegen weiß sehr oft nicht mehr (oder will es nicht wissen), was er mit einem Schnupfen anfangen soll und gerät in Panik. Dann sucht er sofort „Rat“ in der Versorgungspyramide, und dann maximal oben, am besten in einer Spitalsambulanz, wenigstens jedoch beim Hausarzt. Dort erwartet er sich allerdings genaugenommen keinen Rat, sondern sofortige Heilung. Ärzte müssen ja alles können, so sagt’s die Politik; was die Ärztekammerpolitik einschließt, die zu dieser „Alles ist Möglich“-Haltung viel beigetragen hat.

Das so ein unreflektiertes und eigenverantwortungsloses Verhalten nicht bei lapidaren Erkrankungen endet, sondern auch alle andere Folgeerkrankungen der Zivilastion betrifft ist klar – wer zwanzig Jahre fett war, der erwartet folgerichtig trotzdem sofortige aber vor allem schmerz- und mühelose Gratis-Heilung; und die Politik wird nicht müde, ihm das zu versprechen.

Dass das wahnsinnig viel Geld kostet ist auch egal. Und keinesfalls darf man darüber nachdenken, ob man nicht doch die Eigenverantwortung einfordern darf. Ob man wirklich ALLES kostenlos (wo es doch nie kostenlos sondern nur unentgeltlich ist!) vorhalten soll?

Erstaunlich, dass Staaten mit Zugangsbeschränkungen und steuernden Selbstbehalten ohne freie Arztwahl (mit sogenannten Hausarztmodellen), in der Zufriedenheit nicht wesentlich schlechter abschneiden. Wie paradox hochgeschraubt dagegen unser System ist, darüber könnten Ärzte in Fremdenverkehrsorten Bände erzählen: vor allem von völlig baffen Holländer und Dänen, denen über unsere Grundversorgung vor Ort regelmäßig der Mund offen bleibt.

Interessanterweise haben diese Staaten deutlich weniger Krankenhäuser (die Hälfte bis ein Drittel!), die halt immer noch die teuersten Einrichtungen sind. Und weil es weniger Krankenhäuser gibt, gehen die Patienten dort auch nur hin, wenn es nötig ist und davor bemühen sie sich gemeinsam mit dem Hausarzt ohne Wahnsinnsaufwand gesund zu werden – was ja meist gelingt!

Die Diskussion über Notwendigkeiten (Redimensionierungen) wird uns in Zeiten wie diesen wieder einholen. Und wenn dann ein paar mutige, selbsternannte Gesundheitsökonomen – von denen es eh so gut wie keine gibt! – sich trauen in diesem paternalistischen System die Stimme zu erheben und diese Redimensionierung fordern, dann sollte man auf politischer Ebene doch froh sein. Sonst traut sich ja eh keiner mehr.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Landesväter

Wer Bedürfnissen nachgibt, darf sich nicht wundern, wenn der Bedarf schier unermesslich wird. Und wo führt das hin?

In einem Wochenmagazin stand eine interessante Aussage eines Landeshauptmanns, die so aber auch von jedem anderen stammen könnte. Dieser wurde darauf angesprochen, warum man nicht zwei nur zwölf Kilometer auseinander liegende Krankenhäuser (allerdings in zwei Bundesländern) zusammenlegen und damit Millionen sparen könnte. Was denn so schlimm sei, über eine Bundeslandgrenze in ein Spital zu fahren (wo doch anderswo daran gedacht wird, ein solches sogar über Staatsgrenzen hinweg zu führen), wurde gefragt: „Politik“, antwortete der Landeshauptmann, „müsse die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen…Die Menschen würden sich dort wohl fühlen und das so wollen.“ Damit mag er durchaus Recht haben.

Mein Sohn liebt Schokolade und lehnt Zähneputzen ab. Trotzdem sorgen meine Frau und ich dafür, dass er nur selten Schokolade bekommt und putzen seine Zähne. Wir handeln gegen seine Bedürfnisse, wohl wissend, dass wir so aber seinen Bedarf an Erziehung und Körperpflege decken. Auch wenn Sie jetzt denken, es sei vermessen, ein Kleinkind mit wahlberechtigten Bürgern und Patienten zu vergleichen, ist dieser Vergleich durchaus berechtigt.

Patienten wie Bürger wissen nicht, wie es um die Strukturen unseres Gesundheitssystems bestellt ist. Vielmehr muss bei den Bürgern der Eindruck entstehen, Spitäler zu sperren, sei Ausdruck krankhaften Sparwahns. Umso mehr, wenn Sie in eines kommen, in dem Patienten auf den Gängen liegen, was gerade an internen Abteilungen sehr häufig vorkommt. Dass aber viele Patienten, die dort liegen, auch ambulant oder tagesklinisch behandelt werden könnten oder einer Pflegeeinrichtung bedürfen, weiß die Bevölkerung nicht. Nur mangelt es an diesen, verglichen mit Spitälern viel günstigeren Strukturen. Übervolle Spitäler sind also weniger Ausdruck von Sparwahn, als vielmehr Resultat unfinanzierbarer Verschwendungssucht, weil man sich halt doch nicht so viele Spitäler leisten kann.

Genau so wenig können Patienten wie Bürger beurteilen, wie es um die Qualität der medizinischen Versorgung ihrer kleinen Regionalspitälern bestellt ist. Nur weil einmal etwas schief geht, muss die Qualität nicht schlecht sein. Aber nur weil viele Patienten mit der Behandlung zufrieden sind, bedeutet das keinesfalls, dass die Qualität deswegen gut ist. Tatsächlich werden in vielen kleinen Krankenhäusern immer wieder Operationen und andere Behandlungen vorgenommen, die dort eigentlich nicht durchgeführt werden dürften. Weil etwa die für komplizierte Behandlungen notwendige Infrastruktur nicht vorhanden ist oder schlicht die Erfahrung fehlt.

Nähmen die Landeshauptleute ihre Verantwortung als „Landesväter“ und „-mütter“ wirklich ernst, würden sie nicht allen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung nachgeben. Vor allem dann nicht, wenn dies bedeutet, langfristig deren Gesundheitsversorgung aufs Spiel zu setzen. Schließlich verfügen sie, ähnlich wie Eltern gegenüber ihrem Kind, über einen gewaltigen Informationsvorsprung. Sie wissen von den Bedenken der Experten betreffend der Qualität einzelner medizinischer Leistungen in ihren Krankenhäusern genauso wie um falsche Strukturen und die zunehmende Unfinanzierbarkeit des Systems. Allerdings müssten sie dann nach Jahren, in denen sie sich mit medizinischer High-Tech-Infrastruktur und angeblicher Spitzenmedizin so gut wie überall gerühmt haben, auch zugeben, dass das System doch nicht so gut ist, wie sie stets behauptet haben.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.